Gedenkkonzert für Anton Urspruch mit überwältigender Resonanz
"Die Letzten werden die Ersten sein", dachten sich wohl einige, denn der Andrang im Großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks auf dem Saarbrücker Halberg war so groß, dass man schließlich die Sitzreihen des Auditoriums vorne um eine weitere Reihe sowie seitlich entlang der Bühnenränder erweitern musste. Der Saarländische Chorverband hatte am frühen Abend des 11. Novembers gemeinsam mit dem SR zu einem Festkonzert mit Chorwerken und Liedern der Romantik geladen. Mit einer solchen Resonanz hatte man jedoch nicht gerechnet - ein schöner Erfolg schon vor Beginn des eigentlichen Konzertes.
Erfreut über den regen Besuch begrüßte Verbandschorleiter Alexander Mayer, der kurzweilig und informativ durch das Programm führte, die rund 500 Anwesenden (mit Choristen) einschließlich Ehrengäste, darunter der Vorsitzende der Landesakademie für musisch-kulturelle Bildung Hermann Josef Hiery, der Präsident des Landesmusikrats Saar Bernhard Fromkorth sowie der ehemalige Vizepräsident und Ehrenmitglied des SCV Willi Feß.
Anlass des Konzertes bildete der 100. Todestag von Anton Urspruch, eines 1850 geborenen Frankfurter Komponisten, dessen der deutschen Spätromantik zuzurechnendes Oeuvre seit einigen Jahren sukzessive wiederentdeckt wird. Urspruch hatte seine pianistische Ausbildung bei Martin Wallenstein, Ignaz Lachner, Joachim Raff und Franz Liszt erhalten und ab 1878 in Frankfurt als Lehrer für Klavier und Komposition unterrichtet. Neben Klavierwerken schuf er Liederzyklen, ein J. Raff gewidmetes Klavierkonzert, die Symphonie in Es, Werke der Kammermusik und schließlich große Chorwerke und Opern. Dem Anlass gemäß standen daher Werke von Urspruch sowie seiner Zeitgenossen auf dem Programm, die von Spitzenchören des SCV vorgetragen wurden.
Den gelungenen Auftakt lieferte der 1960 gegründete und seit vierzig Jahren als gemischter Chor bestehende Madrigalchor Dillingen, der sich mit seinem neuen Leiter Stephan Langenfeld präsentierte. Der Chor hat bereits an zahlreichen Hörfunksendungen des SR teilgenommen und ist als Konzertpartner bei Musikfestspielen oder als Vertreter der saarländischen Kultur bei Konzertreisen immer wieder erfolgreich in Erscheinung getreten. Mit dem melancholisch anmutenden "Morgenlied" von Rheinberger, dem verhalten freudigen "Minnelied" von Urspruch, Silchers "Untreue" ("In einem kühlen Grunde"), "In stiller Nacht" von Brahms sowie "Abschied vom Walde" von Mendelssohn Bartholdy bereitete er auf musikalischem Wege eine anheimelnde Atmosphäre, die die Zuhörer das nasskalte Herbstwetter draußen schnell vergessen ließ. Den überwiegend ruhigen, getragenen Weisen gab der Madrigalchor Dillingen mit seinen fast vierzig Sängerinnen und Sängern das zur Wirkung notwenige Klangvolumen und bewältigte dabei scheinbar mühelos auch komplexe Taktgefüge und Wechselgesänge, wie sie sich etwa in Urspruchs "Minnelied" finden.
Es folgte der Polizeichor des Saarlandes, ein reiner Männerchor, ebenfalls mit neuem Dirigenten. Seit Frühjahr 2007 leitet Martin Hoffmann den durch mittlerweile über 300 konzertante Auftritte, fünf Tonträger sowie diverse Rundfunk- und Fernsehauftritte über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus bekannten Chor, der 1977 als privater Verein "mit besonderer Repräsentanz eines Berufsstandes" gegründet wurde, also keine dienstliche Einrichtung ist, wie manche vermuten. Mit Schuberts "Nächtliches Ständchen" und Silchers "Frisch gesungen" behaupteten sich die 32 Sänger mit Liedgut, das zur Domäne traditioneller Männerchöre gerechnet werden darf. Lebendig vorgetragen wurden auch zwei Renaissancelieder, "Amor im Nachen" von Giovanni Gastoldi und "Feinslieb, Du hast mich g’fangen" von Hans Leo Haßler, deren Aufnahme ins Konzertprogramm Verbandschorleiter Mayer mit deren "romantisierender" Bearbeitung (H. E. Rauschenberg) begründete.
Mit Rheinbergers "Abendlied" eröffnete die Schaumberger Kantorei nach der Pause den zweiten Teil des Konzertes. Mit gefühlvoller Interpretation, klaren, ausgewogenen Stimmen im Wechsel von Frauen- und Männergesang wie auch gemeinsam, bewiesen die 39 Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Joachim Oehm ihre Versiertheit für geistliche Literatur - einer der Höhepunkte! Neben geistlicher Literatur pflegt der 1976 von den Männerstimmen der ehemaligen Chorknaben der Benediktiner-Abtei Tholey gegründete Chor, der auf zahlreiche Hörfunk- und Fernsehaufnahmen sowie verschiedene Wettbewerbserfolge zurückblicken kann, auch alte Madrigale sowie zeitgenössische Volksliedbearbeitungen und Chorsätze. Einen guten Eindruck davon boten die qualitätvollen Darbietungen von Urspruchs "Die Höh’n und Wälder schon steigen" und Mendelssohns "Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht". Ein wenig aus dem "romantischen" Rahmen fiel "Ubi Caritas" von Maurice Duruflé, das den Bezug bildete zu Urspruchs intensiver Beschäftigung mit dem gregorianischen Choral, dem dieser in seiner ursprünglichen reinen Form in der Liturgie wieder Geltung zu verschaffen suchte.
Das Konzertfinale und zugleich den umfangreichsten Programmteil gestaltete der 1981 gegründete Frauenchor Cantilena Überherrn. Der Chor blickt heute auf zahlreiche Auftritte mit renommierten Ensembles, Rundfunkproduktionen sowie Teilnahmen an nationalen und internationalen Wettbewerben zurück, bei denen er schon stattliche Erfolge erzielen konnte, zuletzt den 2. Preis beim Deutschen Chorwettbewerb 2006 in Kiel.
Mit der Frage an Chorleiterin Marita Grasmück-Fetik, ob man auf Zwischenapplaus verzichten solle, sprach Verbandschorleiter Mayer offenbar ein Bedürfnis vieler an, die sich solches zugunsten der durch die überwiegend bedächtige Musik evozierten Stimmung und Wirkung auch bei den vorangehenden Chören gewünscht hätten. Das Publikum entschied schließlich selbst und unterbrach den Programmblock lediglich mit einem Zwischenapplaus.
In intensivem Vortrag boten die 28 Sängerinnen unter der einfühlsamen Klavierbegleitung von Alexander Mayer verschiedenste Facetten romantischer (Frauen-)Chormusik, von traurig bis beschwingt, hervorragend dar und bezeugten dabei ihre Reverenz für Brahms mit "Fragen", "Die Müllerin", "Da unten im Tale", "Minnelied", "Nun stehn die Rosen in Blüte" sowie "Der Bräutigam". Daneben erklangen von Gustav Jenner "Das Mädchen" sowie "Nachtzauber" und von Anton Urspruch "Beschluss". Was soll man zu Cantilena noch sagen? Es ist immer wieder ein Genuss, diesen schönen, wohlharmonierenden Frauenstimmen zu lauschen, den Chor zu erleben, und neue Facetten an ihm kennen zu lernen. Zurecht wurden die Sängerinnen nach überwältigendem Schlussapplaus nicht ohne Zugabe entlassen.
Am Ende trat Ursula Wesseling vom Musikverlag Robert Carl ans Mikrophon. Vor zwei Jahren hatte sie die Idee zu diesem Konzert gehabt und konnte nun erfreut allen, die zu dessen Verwirklichung beigetragen hatten, danken: Nike Keisinger, die seitens des Saarländischen Rundfunks den organisatorischen Part übernommen hatte, dem ehemaligen Verbandschorleiter Klaus Fischbach, der sich im SCV für die Idee eingesetzt hatte, ebenso seinem Nachfolger Alexander Mayer, dem zusammen mit dem Musikausschuss die weitere Organisation oblag, und natürlich allen teilnehmenden Chören für ihr Engagement. Dass die überwältigende Resonanz und die gebotene Qualität für den SCV Ansporn sein werden, weiterhin solche festlichen Chorkonzerte zu veranstalten, darf man erwarten.
Der Saarländische Rundfunk hat das Konzert übrigens aufgezeichnet. Sendetermin ist der 23. Februar 2008, 17.30 Uhr, auf SR 2 KulturRadio.