"Kennen Sie die Möglichkeiten Ihrer Stimme? Wie sie wirken kann im sprachlichen und sängerischen Umfeld? Wie verändere ich Farbe, Klang und Wirkung dieses genialen Kommunikationsmittels? Was können Sie dazu beitragen, dass sie optimal funktioniert? Wichtigste Voraussetzung, bitte mitbringen: Freude am Singen, an der Musik und eine Portion Mut, sich auf Neues, Fremdes und sein Gegenüber ein zu lassen!" So war das Stimmbildungsseminar von Manuela Söhn angekündigt. Die erfahrene Gesangspädagogin und Sopranistin ist hierzulande keine Unbekannte. Seit einigen Jahren bietet sie im SCV Stimmbildungsseminare an und arbeitet als Dozentin beim Chorleitungsseminar.
So finde ich mich am 30. Oktober mit 13 weiteren Sängerinnen und Sängern in Ottweiler ein und bin gespannt, was mich erwartet. Nach einem recht vollen Seminar im Frühjahr ist die Teilnehmerzahl diesmal bewusst klein gehalten, um den Teilnehmern mehr Raum zum Experimentieren zu geben.
In der Vorstellungsrunde wird klar, dass die Teilnehmer zwar unterschiedliche Erfahrungen im Chor- oder Sologesang haben, allen gemeinsam ist aber die Lust am Singen und der Wunsch, die Gestaltungsmöglichkeiten der eigenen Stimme zu erkennen und zu verbessern. Als Lernziele werden u.a. Stabilität der Intonation, Überwindung der "Höhenangst", das Haushalten mit dem Atem und eine bessere Kontrolle der Stimme genannt.
Nach einigen Lockerungen des Körpers über Anspannung und anschließende Entspannung geht die Dozentin weiter zu Atemübungen und schließlich zu den ersten Tönen. Schnell ist klar, dass dieses Seminar weder ein gemütliches Beisammensein mit gemeinsamem Singen noch die passive Aufnahme von Informationen sein wird. Das aufmerksame Hören und die Beobachtungsgabe aller Teilnehmer sind ständig gefordert, um Körperhaltung, Mundstellung und Gesichtsausdruck zu analysieren und Änderungen im Klang zu bewerten. Auch erfordert es einen gewissen Mut, eine Übung in der Gruppe vorzumachen und sich dann von den anderen erklären zu lassen, was man gerade falsch gemacht hat. Aber deswegen bin ich ja da. Aus Fehlern kann man lernen.
Wer macht sich im Alltag schon Gedanken, welche komplexen Bewegungen unsere Zunge ausführen kann? Was macht sie beim Sprechen und Singen, beim Erzeugen bestimmter Laute? Wie setze ich einen Ton an, wie beende ich ihn? Manuela Söhn geht auf die Teilnehmer ein und gibt Tipps, die individuell völlig verschieden sein können.
Körperspannung ist ein immer wiederkehrendes Thema. Wir singen Intervalle und dürfen, ja müssen sogar extrem "schmieren", versuchen dabei, beim Glissando nicht die Spannung zu verlieren. Da wird eine Sängerin, die beim Singen herumzappelt, mal im Boden verankert – "geerdet", eine andere, die ständig mit dem Kopf wackelt und deren Augen hin und her irren, erhält ein Ziel, das anvisiert wird und zu dem die Töne transportiert werden sollen. Die Dozentin arbeitet viel mit Bildern. So werden Töne auf eine Schnur aufgereiht, und nach der Aufforderung: "Stellen Sie sich mal vor, Sie seien 20 Jahre älter!" wird der zunächst mädchenhaft zarte Ton einer jungen Sängerin voller und stabiler. Später werden die Übungen und Tipps dann bei konkreten Liedbeispielen umgesetzt. Es ist dabei erfreulich, wie eifrig viele Teilnehmer bereit sind, vorzusingen und dabei lernen, die Hürden bestimmter Stellen zu überwinden.
Das Seminar endet mit einem glanzvollen Höhepunkt, als Manuela Söhn auf besonderen Wunsch zwei Lieder bravourös vorträgt und damit zeigt, wie man als Sängerin die besprochenen Techniken – und natürlich noch wesentlich perfekter – umsetzen kann. Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer äußert den Wunsch, in einem weiteren Seminar – möglichst mit ähnlichem Teilnehmerkreis – auf dem Gelernten aufbauen zu können.
Ich nehme persönlich folgende Erkenntnis mit: Es war ein schöner, interessanter und lehrreicher Tag. Es liegt an jedem Einzelnen, was er daraus macht. Wenn ich es schaffe, die erlernten Gesangstechniken zunächst bewusst einzusetzen und dann so lange zu üben, bis sie auch unbewusst funktionieren, ist mir ein dauerhafter Lernerfolg beschieden.