Wandlungsfähig – experimentierfreudig – leidenschaftlich: LandesJugendChor im opulenten Bilderreigen
Na also, es geht doch! Nach wiederholt mäßigen Besucherzahlen in der Vergangenheit konnte der LandesJugendChor Saar bei der Aufführung seines neuen Programms „Die Reise“ am 4. Mai im Hochwaldgymnasium Wadern, am 5. Mai in der Alten Kirche St. Johann und am 25. Mai im Bexbacher Volkshaus jeweils vor vollem Haus auftreten. Es scheint sich rumgesprochen zu haben: Spätestens mit seinem dreifachen Wettbewerbserfolg im Sommer 2012 beim Internationalen Wettbewerb zum Deutschen Chorfest in Frankfurt dürfte der Chor den Sprung aus der Geheimtippecke zu einem der anerkannten vokalen Spitzenensembles im Südwesten der Republik geschafft haben. Entsprechend gespannt war man auf den „musikalisch-theatralen Bilderbogen“, so der Programmuntertitel, den der LJC präsentieren würde.
Angekündigt war eine Kombination von chorischer Darbietung und theatralischer Darstellung, mit welcher der Chor Neues ausprobieren wolle, um das eigene Ausdrucksrepertoire zu bereichern und zu verfeinern. Chorleiter Alexander Lauer hatte sich hierfür die Schauspielerin und Regisseurin Anja Panse mit ins Boot geholt. „Die Reise“ galt dem „Abenteuer Leben“ mit allem, was dazu gehört, Höhen und Tiefen, Freude und Trauer, Krieg und Frieden, Frühling, Winter, Liebe, Rausch… Entsprechend weitgespannt, stilistisch wie zeitlich, war die Folge der Liedvorträge, zu denen Anja Panse mit dem Chor szenische und choreographische Gestaltungen entwickelt hatte und selbst dazwischen Texte vortrug.
Im Vorfeld hatten Mitglieder des Chors geäußert, wie viel Spaß ihnen die Herausforderung bereite, neben dem Singen auch noch gemeinsam Bilder zu erschaffen. Und die Freude an der schöpferischen Interpretation der Chormusik war dem Ensemble von Anfang an anzumerken. Als die über 40 Sängerinnen und Sänger die Bühne betraten, fielen sie nach kurzem Schwatz in eine Art Dornröschenschlaf, um dann durch die hohen Klänge und „Kikerikis“ aus Ligetis „Reggel“ (Der Morgen), vertonte Zeilen von Sándor Weöres, geweckt zu werden. Nach schwelgerischem „Abschied vom Walde“ von Mendelssohn folgte kontrastierend die mit Lust und Selbstironie vorgetragene poppige Version von Oliver Gies („O Täler weit“), anschließend das Volkslied „Es zogen auf sonnigen Wegen“ in der Bearbeitung von Alwin Schronen, das Solist Boris Seibert mit Gitarre keck als modernen Balztanz gestaltete. Dazwischen, als inhaltliche Klammer, immer wieder tiefsinnige Textbeiträge, unter anderem von Hans Christian Andersen, Hugo Ball, Wilhelm Busch und Hermann Hesse.
Und so ging es das ganze Konzert hindurch, abwechslungsreich in der Musik, aus Renaissance, Klassik, Romantik bis hin zu Gegenwärtigem, alte Volkslieder in modernem Gewand, Schanderls „Traumtänze“ und Janequins „La guerre“, die schon zum festen Repertoire des Chors gehören, und vieles andere. Besonders eindrucksvoll: „Ratibor“ bzw. „Die Fuge aus der Geographie“, ein zungenbrechender Sprechgesang von Ernst Toch aus dem Jahr 1930, dessen Darbietung man den Spaß anmerkte, den die Sängerinnen und Sänger offensichtlich schon bei den Proben hatten.
Dazu schuf der Chor mit wechselnden Aufstellungen, Bewegungen, Gesten einen wahren Bilderreigen, imitierte mal eine Lokomotive, stand dann wie erstarrt und doch innerlich bewegt – spontan mochte man an Rodins „Bürger von Calais“ denken – und feierte schließlich ausgelassen Party. Zeitweilig fühlte man sich in eine Revue der Nachkriegsjahre versetzt. Das Ganze lebte stark von Kontrasten und harten Schnitten; innige Stimmungen wurden durch anrührende Gesten und Gesänge evoziert, um gleich wieder zerstört zu werden, etwa durch lautes Gelächter oder abrupte Bewegung.
Mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit und Experimentierfreudigkeit brachte dabei das Ensemble die wechselnden Stimmungen überzeugend rüber. Die Leidenschaft, mit der die jungen Sängerinnen und Sänger bei der Sache sind, erfreut stets aufs Neue. Und die Qualität des gesanglich Dargebotenen erst recht. Erfreulich auch, dass viele neue Gesichter in den Reihen des Chors auszumachen waren, auch das eine Stärke, die vorm Abgleiten ins Routinenhafte schützt: die jugendliche Frische und Offenheit und die damit verbundene spezifische Sensibilität, die besonders zu berühren vermag. Verdient also der überaus herzliche und langandauernde Applaus des Publikums, dem noch eine Zugabe, das französische Volkslied „L’alouette“, geschenkt wurde.
Mit freudiger Spannung darf man der weiteren Entwicklung des LandesJugendChors entgegensehen. Wer den Chor dabei unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen, dem neugegründeten Förderverein beizutreten! Das Beitrittsformular kann man nachstehend als PDF oder WORD-Dokument downloaden.